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Steuerdomizil im interkantonalen Kontext: Bestimmung und Beweis als ein brandaktuelles Thema

Newsletter 03 | 2025

  • Editorial

  • Steuerdomizil im interkantonalen Kontext: Bestimmung und Beweis als ein brandaktuelles Thema

  • Die Anlagestrategie im 3. Quartal 2025

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser

In meinem letzten Gedanken zum 1. Quartal 2025 und zu den Ereignissen rund um den 2. April 2025 habe ich festgehalten, dass in den letzten Jahren an den Finanzmärkten viele Krisen herbeigeredet wurden und sich letztlich doch alles immer anders entwickelt hat, als zuvor prophezeit wurde. Auch dieses Mal war es wieder so. Dennoch war ich überrascht, wie schnell sich die Meinungen wieder geändert und wie rasch sich die Finanzmärkte von den Kursverlusten erholt haben.

Wer sich nach dem 2. April 2025 jedoch der Illusion hingibt, nichts hätte sich verändert, könnte sich in der zukünftigen Entwicklung der Geschehnisse fundamental irren. Die Politik ist für alle erratischer, fintenreicher und vermutlich etwas ehrlicher geworden. Man versteckt sich heute nicht mehr hinter hochtrabenden Pressemitteilungen, sondern sagt häufiger direkt, was man denkt. Ob man letztlich auch das macht, was man zuvor angekündigt hat, steht allerdings auf einem anderen Blatt geschrieben, und so müssen wir wohl oder übel auch zukünftig mit Überraschungen leben.

Aus den Ereignissen der letzten Monate lassen sich aber auch gewisse Schlüsse ziehen: Einerseits kostet der Zugang zum US-Markt via Importe je nach Land und Laune zwischen 10 und x-Prozenten an Zöllen oder anderen Handelshemmnissen, andererseits sind die USA offenbar bereit, mit ihrer militärischen Schlagkraft die Politik und Machtverhältnisse ganzer Regionen neu zu gestalten. Bisherige Machtverhältnisse spielen eine untergeordnete Rolle. Wesentlich sind vielmehr die wirtschaftlichen Interessen, die dabei verfolgt werden. Neu ist dieses Verhalten keineswegs, die Geschichte ist reich an Beispielen dafür: Schon die Griechen und Römer handelten nach diesem Prinzip, ebenso die Könige und Kaiser im Mittelalter und auch in der Neuzeit lässt sich ein solches Gebaren immer wieder feststellen.

Heute ist es offensichtlich, dass gewisse Demokratien dazu neigen, sich in ihrem Gebaren an den Herrschaftshäusern der Zeit des Hochadels zu orientieren und genau wie damals gibt es Gewinner und Verlierer. Elon Musk hat seinen Reichtum unter anderem auf Subventionen und grossen Staatsaufträgen aufgebaut, seine offensichtliche und zum Teil disruptive Einmischung in die Politik wurde ihm nun jedoch zum Verhängnis. Somit gilt auch bei der MAGA-Bewegung, dass die Revolution ihre eigenen Kinder frisst. Für Donald Trump ist das Kapitel in der Geschichte noch nicht fertig geschrieben.

Was bedeutet diese Gemengelage nun für uns? Ich bin überzeugt, dass vieles nicht so negativ ausgelegt werden muss, wie dies aktuell gemacht wird. Vielmehr eröffnet sich uns ein viel direkterer Blick auf die Grundzüge der Funktionsweise politischer Systeme. Die Politik stellt sich dadurch ehrlicher, transparenter und griffiger dar. Die Ziele der gewählten Politiker werden unverblümt und ohne Umschweife erkennbar, Machtgefüge liegen offen auf dem Tisch und die verfolgten Interessen werden offenkundig. Wir werden somit bei den nächsten Wahlen die Möglichkeit haben, auszuwählen, abzuwählen und zu wählen. Imperativ ist, dass die einzelnen Gruppierungen den Mut finden, sich zu äussern, ehrlich zu bleiben und dabei keine leeren Versprechungen zu machen.

In diesem Sinne bleibe ich ein Optimist, freue mich die zukünftigen Herausforderungen zu meistern und wünsche Ihnen eine schöne Sommerzeit.

Martin Wipfli

Steuerdomizil im interkantonalen Kontext: Bestimmung und Beweis als ein brandaktuelles Thema

Ein häufiger Streitpunkt im interkantonalen Steuerrecht ist die Frage nach dem Ort der unbeschränkten Steuerpflicht, also nach dem Hauptsteuerdomizil. Diese Thematik steht seit ein paar Jahren im Fokus der kantonalen Steuerbehörden. Entsprechend beschäftigt sie das Bundesgericht im Moment intensiv.

Natürliche Personen: Lebensmittelpunkt

Nach ständiger Rechtsprechung befindet sich der steuerrechtliche Wohnsitz einer Person an dem Ort, an welchem sich der nach objektiven, äusseren Umständen zu bestimmende Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen befindet. Ein Aufenthalt mit der Absicht des dauernden Verbleibs beinhaltet zwei Komponenten, die kumulativ erfüllt sein müssen. Es geht einerseits um eine objektive Komponente (physischer Aufenthalt) und andererseits um eine subjektive Komponente (Absicht dauernden Verbleibens). Massgeblich ist dabei die objektiv erkennbare Absicht und nicht der persönliche Wille der natürlichen Person.

In der Praxis sorgen Verlegungen des Wohnsitzes, insbesondere in einen steuerrechtlich günstigeren Kanton, regelmässig für Konflikte. In einem Leiturteil vom Februar 2025 hatte das Bundesverwaltungsgericht mit einem Fall zu tun, bei welchem ein pensioniertes Ehepaar seinen Wohnsitz von einer Zürcher Gemeinde in eine 13 km entfernte Zuger Gemeinde verlegte. Dabei behielt das Ehepaar sein Haus in der Zürcher Gemeinde, vermietete es nicht und verbrachte danach regelmässig Zeit in beiden Häusern. Obwohl es auch Indizien gab, die für einen Hauptwohnsitz in Zug sprachen, kam das Bundesverwaltungsgericht aufgrund folgender Indizien zu dem Schluss, dass das Ehepaar weiterhin im Kanton Zürich unbeschränkt steuerpflichtig ist:

  • Für den Umzug mietete das Ehepaar nur einen kleinen Möbelwagen für knapp 3 Stunden. Der Wagen stoppte unterwegs an der Adresse einer Tochter, wo wohl einige Möbel hinkamen. Beide Häuser sind hochwertig möbliert. Es fand somit keine Verlegung des Hausrats statt;

  • In Zug bezog das Ehepaar zwar doppelt so viel Wasser wie in Zürich. Doch nach dem Wegzug aus Zürich nahm der dortige Wasserverbrauch nicht ab, wie zu erwarten wäre, sondern leicht zu;

  • In Zürich verbrauchte das Ehepaar viel mehr Strom als in Zug. Allerdings betreiben die beiden in ihrem älteren Haus auch eine Wärmepumpe, während sie die neue Villa mit Öl heizen;

  • Das Bundesverwaltungsgericht analysierte gegen hundert Einkäufe. Das Ehepaar hinterliess die meisten digitalen Spuren in Läden in der Nähe des Zürcher Wohnorts. In Zug hingegen kaufte es nur selten ein. Auch tätigte das Ehepaar die meisten Bargeldbezüge in Zürcher Gemeinden.

  • Am Zürcher Wohnort hat der Ehemann und Unternehmer einen Festnetzanschluss, der sogar im Telefonbuch eingetragen ist. Am neuen Wohnort hat er hingegen keinen;

  • In Sachen sozialer Beziehungen konnte das Ehepaar nicht beweisen, dass es seinen Lebensmittelpunkt nach Zug verlegt hat.

Juristische Personen: Tatsächliche Verwaltung

Juristische Personen sind in einem Kanton unbeschränkt steuerpflichtig, sofern sich ihr Sitz oder ihre tatsächliche Verwaltung auf dem Gebiet dieses Kantons befindet.

Als Sitz der Aktiengesellschaft gilt der Ort, den die Statuten als solchen bezeichnen. Das Gesetz enthält keine Legaldefinition der tatsächlichen Verwaltung. Im Rahmen der Rechtsprechung zu diesem Begriff hat das Bundesgericht den Ort der tatsächlichen Verwaltung jeweils als den Ort definiert, an dem eine Gesellschaft wirklich geleitet wird, d.h. wo sie den «wirtschaftlichen und tatsächlichen Mittelpunkt ihrer Existenz hat». Massgebend ist der Ort, an dem die Führung der laufenden Geschäfte bzw. das «Day-to-Day-Management» im Rahmen des Gesellschaftszwecks erfolgt.

Im Einklang mit dem Zivilrecht ist zu vermuten, dass die Statuten jenen Ort als Sitz bezeichnen, von dem aus die juristische Person tatsächlich geleitet wird, sich also der Schwerpunkt der Geschäftsführung befindet. Somit kann in erster Linie der entsprechende Sitzkanton die Steuerhoheit beanspruchen. Macht ein anderer Kanton oder die juristische Person selbst geltend, der Ort der tatsächlichen Verwaltung befinde sich an einem bestimmten Ort in diesem anderen Kanton, sind die entsprechenden Umstände mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit darzutun. Gelingt dieser Beweis nicht, trägt der Kanton resp. die juristische Person die Konsequenzen der Beweislosigkeit.

Kann kein geografischer Schwerpunkt ausgemacht werden und dreht sich die Geschäftsführung um die Tätigkeit des alleinigen Geschäftsführers oder des Alleinaktionärs der Gesellschaft, kann gemäss ständiger Rechtsprechung der Wohnsitz dieser Person als der Ort der tatsächlichen Verwaltung einer juristischen Person angenommen werden. Besonders in Fällen von Gesellschaften mit «mobilen Geschäftstätigkeiten» oder Holdinggesellschaften kann eine solche Vermutung angenommen werden. In diesem Zusammenhang hat das Bundesgericht kürzlich mehrere Urteile wie folgt gefällt:

  • Bei drei Fällen, welche zwei Gesellschaften mit mobilen Geschäftstätigkeiten und eine Holdinggesellschaft betrafen, hat das Bundesgericht in Bezug auf das Beweismass Folgendes präzisiert: Könne unter Würdigung der gesamten Umstände nicht mit dem erforderlichen Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass an einem bestimmten Ort schwergewichtig die wesentlichen Unternehmensentscheide getroffen und die Geschäfte geführt worden seien, kann die juristische Person an diesem Ort nicht ihre tatsächliche Verwaltung haben. Die Zürcher Steuerbehörden konnten in beiden Fällen nicht genügend Beweise vorlegen, um ihren Verdacht zu erhärten, dass der Ort der tatsächlichen Leitung am Wohnsitz der Geschäftsführer der jeweiligen Firmen liege. Beide Fälle wurden somit zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden (Urteile 9C_547/2023, 9C_488/2023 und 9C_424/2024).

  • In diversen weiteren Fällen betreffend Holdinggesellschaften entschied das Bundesgericht gegen die Steuerpflichtigen. Ein Fall betraf eine Holdinggesellschaft mit Sitz im Kanton Obwalden. Da sämtliche Verwaltungsräte im Kanton Zürich wohnhaft waren und zwei der Verwaltungsräte die operative Geschäftsleitung der im Kanton Zürich domizilierten Tochtergesellschaft innehatten, sah das Bundesgericht genügend Indizien, um mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf eine Geschäftsleitung im Kanton Zürich zu schliessen. Der Steuerpflichtigen gelang es nicht aufzuzeigen, weshalb der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung in Obwalden liegen soll. Massgebend für die Beurteilung war insbesondere die Tatsache, dass der Mietvertrag für die von der Steuerpflichtigen gemieteten Räumlichkeiten eher einem Domizilvertrag ähnelte (Urteil 9C_569/2024).

Fazit: Vorsicht!

Die Frage nach dem Steuerdomizil scheint zunehmend in den Fokus der Steuerbehörden zu rücken – insbesondere jener des Kantons Zürich. Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung der Wirtschaft und der zunehmenden Mobilität der Geschäftstätigkeiten ist davon auszugehen, dass weitere Streitfälle hängig sind und zahlreiche weitere folgen werden. Auch im internationalen Kontext stellt sich die Frage nach dem Ort der unbeschränkten Steuerpflicht. Natürliche Personen sollten sicherstellen, dass sich ihr Lebensmittelpunkt am Steuerdomizil befindet. In der Praxis stehen dabei primär familiäre, aber auch soziale Bindungen zum Wohnsitzort im Vordergrund. Insbesondere bei der Verlegung des Wohnsitzes in einen steuerrechtlich günstigeren Kanton ist dafür zu sorgen, dass auch der Lebensmittelpunkt tatsächlich in den neuen Kanton verlegt wird. Bei juristischen Personen ist entscheidend, beweisen zu können, dass das «Day-to-Day» Management am gewünschten Ort geführt wird. Da die Bestimmung des Ortes der tatsächlichen Verwaltung stets unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls erfolgt, besteht häufig eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich des Ortes des Steuerdomizils einer Gesellschaft.

Sébastien Maury, lic. iur. HSG, Dipl. Steuerexperte, Partner

Die Anlagestrategie im 3. Quartal 2025

Die deutliche Abwertung des USD sowie die steile Zinskurve in den USA sind klare Anzeichen für einen Vertrauensverlust in die US-Regierung. Die Marktbewegungen im April und Mai verdeutlichen jedoch eindrucksvoll, wie rasch der Aktienmarkt kurzfristige geopolitische Ereignisse ausblendet, verzerrte Wirtschaftsindikatoren ignoriert und wieder den Fokus auf fundamentale Unternehmensdaten richtet. Der Aufwärtstrend an den Aktienmärkten bleibt weiterhin intakt.

Wirtschaftliches Umfeld

Die Entwicklung der US-Wirtschaft war im bisherigen Jahresverlauf stark geprägt von Vorausbestellungen und Lageraufbau infolge der drohenden reziproken Zölle. In der zweiten Jahreshälfte wird entscheidend sein, ob es den USA gelingt, Abkommen mit ihren wichtigsten Handelspartnern zu schliessen. Die Basiszölle von 10% dürften jedoch bestehen bleiben und weiterhin einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung der geplanten Steuersenkungen leisten. Die negativen Effekte der vorgezogenen Importe auf das US-BIP werden allmählich nachlassen, und die Fed dürfte im Verlauf des Jahres die Zinsen um 0,5% senken. Insgesamt sollte sich die US-Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte positiv entwickeln, nicht zuletzt dank der hohen Investitionsbereitschaft sowie des starken Wachstums in den Technologie-, Rüstungs- und Energiesektoren. In Europa werden die Investitionsprogramme für Infrastruktur und Verteidigung wesentliche Impulse setzen. Auf das Wirtschaftswachstum werden diese Massnahmen jedoch erst mit einer gewissen Verzögerung durchschlagen. Die EZB dürfte das Umfeld mit einer weiteren Zinssenkung in diesem Jahr stützend begleiten. Angesichts des schleppenden Wachstums in der Schweiz und des inzwischen überbewerteten Schweizer Frankens sind bald auch wieder negative Zinsen nicht auszuschliessen.

Aktienmärkte

Die Aktienmärkte erscheinen auf Einzeltitelebene attraktiver, als es der Blick auf die Gesamtmärkte nahelegt. Zahlreiche Indikatoren und Modelle funktionieren aufgrund der starken Marktverwerfungen – wie der «V»-Formation im April/Mai und dem «Frontloading» der Wirtschaft – derzeit nicht wie gewohnt. Die Mehrheit jener Unternehmen, in die wir für unsere Kunden investiert sind, hat sehr solide Geschäftszahlen vorgelegt und auch die Ausblicke fallen überwiegend positiv aus. Die Zölle wirken sich bei den meisten Unternehmen nur begrenzt aus. Der US-Aktienmarkt bleibt weiterhin tonangebend. Dem weit verbreiteten Mantra «Sell USA, Buy Europe » schliessen wir uns nicht an. Die Qualität amerikanischer Unternehmen in Bezug auf Wachstum, Rentabilität, Cashflow und Wertsteigerung liegt deutlich über jener der meisten europäischen Unternehmen. Wir halten daher an einer Übergewichtung von US-Titeln fest, ebenso wie an unserem Fokus auf den Technologiesektor und auf spezielle Industriewerte.

Anleihenmärkte

Aus der Rendite-Risiko-Perspektive bevorzugen wir weiterhin den Bereich der mittleren Laufzeiten.

Währungen

Der Markt ist zu negativ für den USD. Die historisch hohen Short-Positionen im Markt können jederzeit zu einer starken Gegenbewegung führen.

Daniel Waldmeier, Partner

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